Allgemein

Singen?

Freitag, 17 März 2023

Singen?

Vier Dinge verbinde ich mit dem Bild oben: den Autor, aus meiner Heimatpfarrei in Kroatien stammenden Naivmaler Slavko Stolnik; die Kirche, in der ich getauft wurde; meinen Schwager an der Orgel und die Bäuerin, die sich, aus Leibeskräften singend, mit der Gemeinde unten am Gottesdienste beteiligt.

Mein Ordensgründer Johannes Bosco sagte: „Ein Oratorium [eine Jugendeinrichtung] ohne Musik ist wie Körper ohne Seele“; in der Freizeit und noch mehr im Gottesdienst. Chöre und Musiker mit bis zu 300 Mitwirkenden umrahmten (wie es damals hieß) die festlichen Gottesdienste in seiner Kirche in Turin.

Hat das auch mit Dir etwas zu tun? Ich denke schon, denn wenn man nicht mitmacht, ist man selber wie Körper ohne Seele. Singen ist Sprache des Herzens und der Liebe, er bringt die Seele zum Schwingen. Das tut gut, ist Therapie. Sag nicht: Ich kann nicht singen. Sag höchstens: ich kann es noch nicht! Denn – wie ein afrikanisches Sprichwort sagt – wer gehen kann, kann auch tanzen; wer sprechen kann, kann auch singen. Mit etwas Übung. Und die geht durchs ungenierte Mitmachen.

Mach also das nächste Mal mit!

Schöne Woche!

P. J. Gregur

Domkurve

Freitag, 10 März 2023

Domkurve

Sie ist ein echtes Nadelöhr für den Verkehr:

            Die Augsburger Domkurve.

Busse, Straßenbahnen, Autos, Fahrräder, Passanten:

            Alle müssen eine weite Kurve um den Dom herum nehmen.

Ein morgendlicher Bremsklotz,

            auf dem Weg zur Arbeit.

            Für mich und für viele andere. 

Und das schon seit über fünfhundert Jahren.

 Jeden Morgen ist die Domkurve für mich

ein Bild von Kirche:

            Jahrhunderte alt,

scheinbar aus der Zeit gefallen,

            aber irgendwie immer noch Teil des Alltags.

Eine Institution,

die für viele im Weg zu stehen scheint.

Ein Überrest aus der Vergangenheit.

Und drum herum

bahnt sich das Leben seinen Weg.

 Vielleicht aber ist gerade das

            die Rolle von Kirche in unserer Zeit:

Zu einer Kurve einzuladen,

            wo alles nur schnell vorangehen soll.

Einfach mal stehen zu bleiben.

            Und dadurch zu entschleunigen.

 Genau wie es der Theologe Johann Baptist Metz einmal gesagt hat:

            Religion ist Unterbrechung.

 Martin Blay

In der Wüste

Montag, 27 Februar 2023

In der Wüste

 Jesus in der Wüste, versucht vom Teufel: Brot umsonst, Reichtum in Fülle soll er erhalten. Das Ergebnis? Anbetung des "Sohnes des Verderbens".

Gib auch du der Fastenzeit eine Chance, Dich von den trügerischen Dingen innerlich zu lösen.

Gottes Segen dazu!

P. J. Gregur

Ernst unter Maske

Samstag, 18 Februar 2023

Ernst unter Maske

Ein Firmenchef kommt verstört nach Hause. „Aber Heinrich, was ist denn mir Dir los?“ fragt ihn seine Frau. „Ach, Liebling, ich hab' heut' aus Spaß den Eignungstest für unsere Lehrlinge g'macht. Ich sag' Dir, ein Glück, dass ich schon Direktor bin!“ (Internet)

Ein guter Witz bringt die Realität in humorvoller Sprachverkleidung zum Ausdruck. Indem er den tierischen Ernst des Lebens über den Haufen wirft, bringt der Karneval ihn negativ eigentlich zum Bewusstsein. Der Aschermittwoch knüpft daran an, indem er den maskierten Ernst durch Fasten und Beten vom tierischen Ballast befreien will.

So spielt sich unser Leben zwischen Ernst und Maske ab. Gut, wenn wir das Ganze Spiel sehen und durchschauen. Zum Beispiel auch die Fratze der Krieges, die uns die Politik mit beängstigenden Ernst aufsetzen will. Die Fastenzeit wäre eine Gelegenheit, persönliche und kollektive die Selbsttäuschungen zu überwinden.

Ein guten Übergang vom tierischen Ernst zur Freude der Kinder Gottes!

P. J. Gregur

Gebote

Freitag, 10 Februar 2023

Gebote

Wenn ich das Wort „Gebote“ im Internet eingebe, kommen die meisten Ergebnisse unter ‚Zehn Gebote‘. Typisch Religion, könnte man sagen, operiert sie doch meistens mit Geboten und Verboten. In der Tat sind sie auch Thema der alttestamentlichen Lesung am kommenden Sonntag. Diese ist, im Gegensatz zur neutestamentlichen Lesung, gewöhnlich im Hinblick auf das Evangelium gewählt, und so fragt man: Erlässt auch Jesus Gebote? Er sagt: „Ihr habt gehört… ich aber sage euch“. Die Pharisäer hielten sich wörtlich an die Gebote der Bibel. Jesus aber sagt, dass man sich am Geist der Bibel orientieren soll. Nicht, dass für ihn die alten Gebote keinen Sinn hätten, im Gegenteil (vgl. Mt 5,17). Aber er möchte sie „erfüllen“, ihnen den ursprünglichen Sinn geben. Am Ende macht er es uns mit Geboten und Vorschriften ganz einfach und doch unendlich schwer, wenn er sagt: "Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander!"

Einen schönen Sonntag!

P. J. Gregur

Glaube im Sturm

Freitag, 03 Februar 2023

Glaube im Sturm

Letzten Dienstag feierten wir zusammen mit der Katholisch-theologischen Fakultät das Thomas-von-Aquin-Fest. Eigentlich war der 31. Januar Gedenktag von Johannes Bosco, des „Vaters und Lehrers der Jugend“, wie die Kirche ihn offiziell nennt, der also mit jungen Menschen das Leben teilte, sie nicht nur vom Schreibtisch aus lehrte. Aber der heilige Thomas von Aquin ist als großer Gelehrter nun einmal Patron der studierenden Jugend. Bischof Bertram, der der Eucharistiefeier vorstand und für seine Predigt das Evangelium vom Sturm auf dem See wählte, führte unter anderem aus:

Jesus schläft. Was soll ich hoffen?“ hat Johann Sebastian Bach seine Kantate zu dieser Perikope überschrieben und damit der Angst der Jünger, ja des Menschen überhaupt vor den Naturgewalten musikalischen Ausdruck verliehen. Doch er wäre nicht der tiefgläubige „fünfte Evangelist“, wie man ihn mit Recht genannt hat, wenn er nicht seinen kompositorischen Schwerpunkt auf die Heilszusage Jesu legen würde. So endet die Kantate mit dem Choral „Unter deinen Schirmen/bin ich vor den Stürmen/aller Feinde frei.“

Fragen wir uns: Entspricht dies auch unserem Lebensgefühl, ist darin auch unser Glaube, unser Gottvertrauen ausgedrückt? Wenn nicht, dann sollten wir der Ursache ehrlich nachspüren. Wo finden wir uns in diesem Evangelium? An dem Punkt, als die Jünger rufen: Meister, kümmert es Dich nicht, dass wir zugrunde gehen? (Mk 4,38) Oder ergreift uns eine Ahnung dessen, der alles Verstehen übersteigt: Wer ist denn dieser, dass ihm sogar der Wind und das Meer gehorchen? (Mk 4,41).

Siehe auch: https://bistum-augsburg.de/Generalvikariat/Abteilung-Oeffentlichkeitsarbeit-und-Medien/Videoarchiv/Thomas-von-Aquin-Fest-der-KHG-Augsburg_id_0

Eine gesegnete Woche!

P. J. Gregur

(k)ein Heiliger?

Freitag, 27 Januar 2023

(k)ein Heiliger?

Ich bin ja ein normaler Mensch und kein/e Heilige/r! So oder ähnlich heißt es, wenn man nicht als uncool, bigott, frömmelnd oder als Tugendbold erscheinen, vielmehr jemand sein möchte, der Spaß versteht, mal über den Durst trinkt, schlüpfrige Witze zulässt und die Partys nicht als erster verlässt.

Beides sind Klischees: Weder ist die Heiligkeit Frömmelei und Weltfremdheit, noch ist das Aufgehen im spaßigen Mainstream Normalität. Im Massenbetrieb vielleicht. Bist du aber allein mit dir im ‚stillen Kämmerlein‘, dann ödet dich möglicherweise die leere Maske der Spaßgesellschaft an, parallel zur Ahnung, dass das Haben-, Gelten- und Genießen-Müssen vielleicht doch nicht der Weisheit letzter Schluss ist.

Heilige sind Menschen, die selber tiefer schürfen und ihr Leben mit anderen teilen, sich verschenken wollen. Nicht aus eigener Kraft freilich, nach dem gutgemeinten Motto „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut“ (Goethe). Denn in Krisen knickt unser gute Wille schnell vor der normativen Kraft des Faktischen ein. Beispiel dafür sind die Friedensbewegten der achtziger Jahre, die heute als erste nach Aufrüstung rufen. Mehr als auf eigene Klugheit bauen die Heiligen auf die Kraft Gottes und die Weisheit Jesu, die mit acht ‚Seligkeiten‘ anhebt: „Selig die Sanftmütigen; denn sie werden das Land erben.“ (Evangelium des kommenden Sonntags, Mt 5,1-12).

Heiliger Johannes Bosco, der am 31. Januar gefeiert wird, ist eines der einschlägigen Beispiele dafür. Weder war er weltfremd, noch verschmähte er Freude, Spiel und Spaß. Aber in seinem ‚heroischen‘ Einsatz für die „arme und bedürftige“ Jugend, blieb er ein Mystiker, ein Gott-Suchender und Gott-Verbundener. So bestätigt sich nicht nur bei ihm, sondern bei allen Heiligen die Erkenntnis von Paul Zulehner: Wer in Gott eintaucht, taucht bei den Menschen gleich wieder auf.

Gesegnete Woche und alles Gute in der Prüfungszeit!

P. J. Gregur SDB  (Salesianer Don Boscos)

Vertikalspannung

Freitag, 20 Januar 2023

Vertikalspannung

 „Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm nach“[1]. Das wird von Fischern berichtet, die, von Jesus fasziniert, auf Anhieb alles Bisherige, auch ihren Vater radikal zurücklassen. Es handelt sich wohl um eine literarische Übertreibung des Evangeliums zur Unterstreichung der überragenden Bedeutung dieses Rabbi aus Nazareth. Denn man bleib im Umfeld des heimischen Sees Genezareth, dem Wirkungskreis Jesu. Dennoch ist die Botschaft klar: Wer auf Jesus setzt, muss sich innerlich entscheiden, mitzukommen oder zu bleiben, festzuhalten oder loszulassen, aufzubrechen oder zu verhocken.

„Du musst dein Leben ändern“ lautet ein literarischer Einfall von Peter Sloterdijk angesichts einer, von Rilke gedichteten antiken Götterstatue, die sich als Torso dem Anblick herausfordernd darbietet. Sloterdijk ahnt mit philosophischem Scharfsinn, dass der Mensch nur unter einer „Vertikalspannung“ ein anderer werden kann, zu besonderer Leistung und zur Selbstoptimierung fähig ist. Die Vertikalspannung freilich ist bei ihm als Nichtchrist lediglich der ideelle Gegensatz zur „horizontalen Entspannung“ in der pandemisch trivialisierten Kultur des Behagens. Bei uns Christen dagegen bekommt die Vertikalspannung ein Gesicht in Jesus Christus, sie wird konsistent durch seine Beziehung zum himmlischen Vater, in die er uns hineinnehmen will.

Diese Vertikalspannung Jesu elektrisiert und motiviert auch heute viele, in das „spirituelle Übungssystem“ zur Lebensänderung (Sloterdijk), in das Christsein radikal einzusteigen. Und je mehr man selbst davon ergriffen ist, desto weniger ist man für spalterische Positionierungen in der Kirche anfällig, ob nämlich Paulus, Apollos oder Kephas jeweils im Recht sind (2. Lesung des Sonntags). Wer auf den Himmel ‚gespannt‘ ist, kümmert sich nicht in erster Linie um den ihm angeblich zustehenden Ehrenplatz. Es ist ihm vielmehr darum zu tun, dass auch andere seiner Blickrichtung folgen. (Die jesuanische Vertikalspannung kann übrigens auch jetzt in der Prüfungszeit entlastend sein!)

Einen gesegneten 3. Sonntag im Jahreskreis!

P. J. Gregur



[1] Evangelium des kommenden 3. Sonntags im Jahreskreis.

Gutes neues Jahr

Freitag, 13 Januar 2023

Gutes neues Jahr

Ein gutes neues Jahr wünschen wir uns weit in den Januar hinein. Und wir meinen zu wissen, wann es gut wird: Wenn wir gesund bleiben oder werden, wenn Erfolg uns beschieden ist, wenn Sehnsüchte und Wünsche in Erfüllung gehen, wenn Friede zurückkehrt.

Aber gerade mit den Wünschen ist es manchmal so eine Sache: Der Bauer wünscht sich Regen, der Bergsteiger den Sonnenschein; der General die Aufrüstung, die Friedensaktivistin die Abrüstung; der Arme, Geld, Macht und Ansehen, der Reiche, Geld, Macht und Ansehen. Wenn jeder von seinen Wünschen und damit letztlich von seinem Ego ausgeht, stellen sich Konflikte ein und das neue Jahr wird kein bisschen besser als das alte.

Es gibt in einer Kirche meiner Heimat ein Marienbild mit der Überschrift: Mundi melioris origo, „Ursprung einer besseren Welt“, ein Zitat aus der Antike, hier Maria zugeschrieben. Eigentlich nicht ihr, sondern dem, den sie auf die Welt gebracht hat: Jesus Christus. Sein Evangelium und sein Leben zeigen, wie die Welt neu und besser werden könnte: Indem man sich zurücknimmt bis hin zur Hingabe im Wort an Gott: Nicht mein, sondern dein Wille geschehe. Gerade in der Haltung „Mir geschehe nach deinem Wort“ hat Maria Jesus empfangen und ist so - in ihm - zum Anfang einer neuen Welt geworden. Aus der Hingabe an Gott, wächst die Kraft zur Selbst-losigkeit, die frei macht und Voraussetzung ist für die gegenseitige Rücksicht. Und diese braucht es, wenn das neue Jahr gut werden soll.

Einen guten Start in den Alltag!

P. J. Gregur

Weihnachtsutopie

Freitag, 23 Dezember 2022

Weihnachtsutopie

Maria und Josef fanden sich mit ihrem Neugeborenen in einem Stall wieder, „…weil in der Herberge kein Platz für sie war (Lk 2). Ein Nicht-Ort für sie (οὐκ τόπος), eine ‚Weihnachtsutopie‘ im wahrsten Sinn des Wortes. Sie bildet die harte Realität von Vielen ab: Wie die heilige Familie keinen Ort in Bethlehem fand, sind im Laufe der Geschichte Unzählige obdachlos, ohne Geld, ohne Anerkennung, ohne Heimat geblieben. Jesus wird zeitlebens einer sein, der „keinen Ort hat, wo er sein Haupt hinlegen kann.“ (Mt 8,20). - Die Armen sind Jesus ähnlich, nicht die Wohlsituierten. - Im übertragenen Sinn ist der Glaube heimat- und ortlos geworden: Das Zelt, das Gott unter den Menschen aufgeschlagen haben soll (Joh 1), ist für die Mehrheit (in Europa) nichts als ein Luftschloss. Doch sollte es dem Glauben an Jesus anders ergehen als ihm selbst?

Wir bemitleiden das göttliche Kind im armseligen Stall zu Bethlehem. Dass aber Bethlehem (= Haus des Brotes) ihm die Herberge verweigerte, bekümmert ihn wenig. Später wird er ja feststellen, dass „der Mensch nicht von Brot allein“ lebt (Mt 4,4). Und am Ende seiner irdischen Unbehaustheit wird er sagen: „Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten“ (Joh 14,2). Fortan gilt für die Glaubenden: „Unsere Heimat aber ist im Himmel“ (Phil 3,20). Das bedeutet nicht Weltflucht. Die Christen standen immer schon mit beiden Beinen auf der Erde. Als erste bauten sie Krankenhäuser, gründeten Schulen und Universitäten, gaben Armen und Schwachen Heimat und Brot. Das konnten sie, weil sie - u-topisch - mit ihrem Herzen im Himmel wohnten. Und es hoffentlich noch tun. Denn die Krise des Christentums hat immer wesentlich mit der Versuchung zu tun, es sich gemütlich in dieser Welt einzurichten.

Wo bleibt bei dieser nüchternen Weihnachtsutopie die Botschaft des Engels "Ich verkünde euch eine große Freude"? - Die Liebe in Stall und Krippe sagt über das Glück und die Freude des Menschen mehr als all die zweckdienlichen Hotelherbergen in der Stadt.

Ich wünsche euch, auch im Namen der ganzen KHG, ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr!

P. J. Gregur

Ins Dunkle wagen

Freitag, 16 Dezember 2022

Ins Dunkle wagen

Ich habe nächste Woche ein Vorstellungsgespräch. An sich keine große Sache, aber dennoch sehr furchteinflößend für mich. Ich fühle mich zwar sehr gut vorbereitet und schätze meine Chancen als recht gut ein, aber manchmal überkommt die Angst mich. Ich habe manchmal das Gefühl weglaufen zu wollen. Weg von diesem Gespräch, weg von diesen prüfenden Gesichtern, die ich mir in meinem Kopf ausmale, aber auch, weg von der Verantwortung? Wenn ich diesen Termin nicht wahrnehme, ist die Chance auf geregeltes Einkommen weg; die Chance, einen Beruf zu erlangen, der mich wirklich erfüllt und mir viel Spaß machen kann, auch. Wie ich mich auch entscheide, kein Weg ist leicht und angenehm.

Der Protagonist des Evangeliums am Vierten Advent steht auch vor der Entscheidung: Soll ich weglaufen? Als Josef bemerkt, dass Maria, seine Verlobte schwanger ist, möchte er ebenfalls von den Konsequenzen und der Verantwortung weglaufen. Dennoch lässt er sich vom Engel überzeugen, zu Maria zurückzukehren und mit ihr Jesus großzuziehen. Er erhält die Chance, ein Teil vom Sohn Gottes zu sein, auch wenn er nicht der leibliche Vater ist.

Oftmals haben wir schlichtweg Angst vor Situationen und ihren potenziellen negativen Konsequenzen, weil wir noch nicht in diesen Situationen waren und diese nicht einschätzen können. Aber auf der anderen Seite blenden wir in unserer Angst auch die Chancen und positiven Konsequenzen aus. Josef hat die Chance, nachdem er vom Engel etwas angeschubst wurde, ergriffen und spürt die Verantwortung als positive Kraft, die ihn erfüllt. Ich werde nächste Woche ebenfalls nicht weglaufen und stelle mich dem Vorstellungsgespräch, da ich denke, dass mich die Motivation, diesen Job ausführen zu können, durch das Vorstellungsgespräch leitet.

Was hat das nun mit dem Weihnachtsfest zu tun, auf das wir uns vorbereiten? In der dunklen Adventszeit haben wir oft Angst vor den Dingen, die im nächsten Jahr auf einen zukommen. Doch wir wissen, dass das Hoffnungslicht mit dem kleinen Kind in der Krippe auf die Welt kommt und uns zeigt, dass Gott sogar in schweren Zeiten bei uns ist und uns hilft, mit unserer Angst und unserer Mutlosigkeit klarzukommen.

 Wir wünschen euch, dass der nun vollständige Adventskranz und Jesus, das Hoffnungslicht, euch begleitet und stärkt!

Sebastian Trefon

Gaudete

Freitag, 09 Dezember 2022

Gaudete

Vor achtzig Jahren, am 11. Dezember 1942, nahm sich der deutsche Theologe, einer der bedeutendsten Dichter geistlicher Lieder des 20. Jahrhunderts, Jochen Klepper, zusammen mit seiner jüdischen Frau das Leben. Sie sahen angesichts lebensbedrohlicher Schikanen durch Nationalsozialisten keinen anderen Ausweg mehr. Klepper schrieb ein Weihnachtslied, das auch ins "Gotteslob" Eingang fand (Nr. 220). Es ist kein Lied, das die üblichen weihnachtlichen Stimmungsklischees bedient. So erinnert auch die Vertonung des Textes durch Johannes Petzold mitunter an das Passionslied „O Haupt voll Blut und Wunden“.

Wie das tragische Ende ahnen lässt, war das ganze Leben von Klepper durchzogen von Momenten des Leids und innerer Nacht. Aber er dichtet vertrauensvoll: „Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern“. Kaleidoskopisch wechseln die Motive des leidvoll Dunkeln mit der Zuversicht in Gottes Verheißung: „Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und -schuld.“ Und wenn Gott auch so oft „im Dunkel wohnen“ will, so „hat [er] es doch erhellt“.

Ich bewundere Menschen, die – selbst in innerem Dunkel – vom Licht dichten und daran glauben. Von ihnen geht eine Kraft aus, die verengte Horizonte der Hoffnung aufschließt und weitet. Und das Lied von Johann Klepper mahnt einmal mehr, Weihnachten nicht süßlich zu verkitschen, sondern es unter des Geheimnis des Kreuzes zu stellen: „Führe uns durch Leiden und Kreuz zur Herrlichkeit der Auferstehung“, heißt es im Gebet Der Engel des Herrn brachte Maria die BotschaftErst in dieser herb-realistischen, das Leben als Ganzes umarmenden Dialektik, entfaltet das Motto des dritten Adventssonntags („Gaudete“) seine läuternde Tiefe:

Freuet euch!

P. J. Gregur

Wie ein Traum

Freitag, 02 Dezember 2022

Wie ein Traum

Wie ein Traum wird es sein, wenn der Herr uns befreit zu uns selbst und zum Glück seiner kommenden Welt.

Der Blinde blinzelt in die Sonne,
dem Tauben verrätst du ein Wort und er nickt.
Wer stumm gewesen spricht die Wahrheit;
der lahme Mann schiebt seinen Rollstuhl nach Haus.

Geduckte heben ihre Köpfe
Enttäuschte entdecken: Die Welt ist so bunt
Verplante machen selber Pläne
die Schwarzseher sagen: Es ist alles gut.

Die Alleswisser haben Fragen,
der Analphabet liest die Zeichen der Zeit.
Wer nichts besitzt spendiert für alle;
die Herrschenden machen sich nützlich im Haus.

Eine Vision von Pfarrer Lothar Zenetti. Auch der Prophet Jesaja träumt von einer kommenden Welt: Löwe beim Lamm, Kuh und Bärin zusammen, Säugling und Natter spielend (Lesung vom 2. Advent), Schwerter zu Pflugscharen. Und Johannes der Täufer sieht eine Zeit der Gerechtigkeit kommen, wenn Jesus „mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen“ wird (Evangelium).

Advent ist nicht nur die Zeit des Wartens, sondern eine Zeit der Zukunftsaussichten. Die ganze Bibel ist ein Traum von einer besseren Welt, vom Reich Gottes. Nicht ins Leere hinein. Gläubige träumen, weil sie auf Den setzen, der sowohl die Vollmacht im Reden als auch die Macht im Vollbringen besitzt. Er kam, und er kommt wieder „zum Glück seiner kommenden Welt“. Weihnachten steht immer wieder vor der Tür.

Alles Gute zum 2. Advent!

 P. J. Gregur

Warten können

Freitag, 25 November 2022

Warten können

Wenn der antike Herrscher eine Stadt besuchte, nannte man das Advent(us) Domini und hieß ihn frenetisch willkommen („Kyrie eleison“). Denn er konnte die Monotonie des Alltags aufmischen und Wohlstandsfortschritt bringen. Analog dazu ist das verheißene Kommen des himmlischen Königs, Jesus Christus, ein Advent. Den Meisten in vorweihnachtlicher Glühweinstimmung hat man das freilich nicht mehr beigebracht. Schade, weil Stimmungen ohne Inhalt schal sind, wenn freilich auch Inhalte ohne Emotionalität langweilig wären.

Apropos Stimmung: Man konstatiert gegenwärtig in der Gesellschaft eine gereizte Stimmung. Es läuft in Ökonomie und Politik nicht mehr in gewohnter Weise alles glatt. Wenn dazu kommt, dass es unseren (jungen) Zeitgenossen, laut einer Umfrage, eher um den augenblicklichen Genuss geht, wenn es also keine größeren Perspektiven gibt, dann sind mimosenhafte Stimmungsschwankungen auf der Tagesordnung.

Ein Auge, das sich selbst sieht, ist krank, gesund ist es, wenn es das Außenstehende wahrnimmt. So gleichen gläubige Menschen ihre ichbezogenen Stimmungslagen aus mit dem Blick auf das, was den Moment übersteigt, das Kommen des Ewigen. Unter dieser Perspektive müssen sie nicht jetzt schon künstlich die Weihnachtsstimmung erzeugen. Sie wird ihnen beim wahren Advent des Herrn geschenkt. Daraus schöpfen sie die Kraft, die natürlichen Stimmungsschwankungen einzuebnen und sich bis zu seiner Ankunft in Geduld und selbstvergessenem Verzicht zu üben.

Einen besinnlichen ersten Advent!

P. J. Gregur

Ritual

Freitag, 11 November 2022

Ritual

Rituale sind aus der Mode gekommen. Denn das Grundmerkmal des Rituellen, die schematisierte Wiederholung, signalisiert Langeweile und Einfallslosigkeit. Deshalb sollen auch Gebete und Gottesdienste möglichst einfallsreich sein.

Aber Gottesdienste haben naturgemäß einen festen Ablauf. Nicht nur aus psychologischen Gründen, dass Rituale etwa unser Inneres ordnen und ihm Stabilität geben: Man kann nicht jeden Tag neu überlegen wie man aufsteht, sich wäscht und anders frühstückt als sonst.

Der eigentliche Ertrag des Rituellen in Gebet und Gottesdienst ist seine Eigenschaft, das Ich vom Selbst freizumachen. D. h. es will uns uns selbst nehmen und auf Gott hin ausrichten. Selbst formulierte Gebete sind gut, sie kreisen aber immer noch um das Wie sag ich’s, wie mach ich’s am besten? Wie bleibe ich interessant? Selbstgestaltete Liturgie ist im Prinzip Hingabe-kontraproduktiv, sie läuft Gefahr, mehr das Ich und weniger Gott im Blick zu haben. Die Methode verdrängt den Inhalt, der Weg das Ziel.

Der Hingabecharakter des Rituellen räumt dem Vorformulierten den Vorrang vor dem Selbstgestalteten und Selbstformulierten. Freilich nur, wenn das Vorformulierte meditierend zum Eigenen wird, es also nicht lieblos herunterleiert oder gedankenlos persolviert wird.

Schöne Woche!

P. J. Gregur

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