Allgemein

Öffnungszeiten, Sprechzeiten...

Freitag, 05 Februar 2021

Öffnungszeiten, Sprechzeiten...

Vor Jahren war ich als Reiseleiter mit einer Gruppe in Italien. Auf dem Programm stand auch der Besuch der Certosa di Pavia, eine wunderschöne Anlage, ehemals Kartäuserkloster. Sollte eines der Höhepunkte der Reise werden. Leider steckten wir in Stau, ich rief an. „Schauen Sie das sie rechtzeitig da sind, wir schließen um fünf“. Wir schafften es leider erst kurz nach fünf. Die werden doch für interessierte Hochschullehrer, Priester und Ordensleute eine kleine Ausnahme machen können, hoffte ich. Die Hoffnung wurde enttäuscht. Könnte ja jeder kommen.

Ein Pfarrhaus, die Mitbrüder sitzen zu Tisch. Telefon. Ich gehe hin. Der Pfarrer wird verlangt. „Toni, für dich“: – „Ich hab doch meinen freien Tag heute!“ Es war Montag. Aber nur ein Telefonat…, dachte ich.

Jesus zieht sich im Sonntagsevangelium zurück, um zu beten. Aber die Jünger steigen ihm nach, weil so viele Leute da sind: „ Alle suchen dich.“ – „Seht ihr denn nicht, dass auch ich mal Ruhe brauche, beten will?“ Nein, das sagt er nicht. Er geht der Notwendigkeit kommentarlos nach, er lässt sich brauchen.

Sprechzeiten – in den Büros, in den Geschäften, an der Uni, beim Prof, beim Pastoralreferenten, beim Pfarrer. – Beim Pfarrer doch nicht, der ist ja 'Realsymbol' der Gegenwart Jesu unter den Menschen. - Ok, ich sag schon nichts; ich denke halt nur an die ausgehängten Bürozeiten und den Anrufbeantworter: „Wir sind am Montag wieder für Sie da“.

Niemand kann 24/24 für andere da sein. Aber Jesu Beispiel gibt doch zu denken. Auch jenes des Paulus in der zweiten Lesung: „Allen bin ich alles geworden, um auf jeden Fall einige zu retten“ (1 Kor 9,22).

Beispiele nur für die Hauptamtlichen in der Kirche – oder auch für mich?

Schönen Sonntag und eine gute Woche!

P. J. Gregur

Don Bosco

Freitag, 29 Januar 2021

Don Bosco

Am 31. Januar 1888 starb Johannes Bosco, der große Jugendseelsorger des 19. Jahrhunderts. Am Sonntag wird sein Gedenktag begangen. Zurecht gilt „don“ (Herr) Bosco als Patron der Jugend. Denn sein Herz für junge Menschen war groß. Viele von ihnen, auf der Arbeitssuche nach Turin gekommen, waren im wildkapitalistischen Treiben einer aufstrebenden Industriestadt des 19. Jhs. orientierungslos. Der junge Priester, selbst arm und ohne Vater aufgewachsen, zum Glück jedoch mit einer starken und klugen, tiefgläubigen Mutter, sammelte sie zuerst unter freiem Himmel, auf einer Wiese, bis er ihnen ein bescheidenes Dach überm Kopf bieten konnte. Und den Arbeitgebern für sie soziale Verträge abnötigte. Sie liebten ihren charismatischen Seelsorger abgöttisch nicht nur deshalb. Sympathieträger war er für sie, weil zu spüren war, dass er sie als Mensch ernst nahm. Er wollte das lieben, was ihnen wichtig ist, Freude, Witz und Spiele, ihre Spontaneität, wissend, dass sie dann lieben werden, was ihm wichtig war: aus ihnen „gute Christen und ehrenwerte Bürger“ zu machen. Eine Kostprobe aus einem Brief an junge Auszubildende:

„Dass ich euch mag, muss ich euch nicht sagen, das habe ich euch bewiesen. Dass ihr mich mögt, das müsst ihr mir nicht sagen, das habt ihr mir durchweg gezeigt. Aber unsere gegenseitige Sympathie, worauf gründet sie? Auf dem Geldbeutel? Nicht auf meinem, denn ich leere ihn ständig für euch; nicht auf eurem, weil ihr – mit Verlaub – keinen habt. Also fußt meine Zuneigung auf dem Wunsch, eure Seelen zu retten, die alle durch das kostbare Blut Jesu Christi erlöst sind. Und ihr liebt mich, weil ich versuche, euch auf den Weg des Heils zu führen. Also ist das Wohl unserer Seelen das Fundament gegenseitiger Zuneigung.“

Das war kein frommes Blabla. Nicht nur, dass er für seine Schützlinge ständig unterwegs war, Don Bosco suchte auch zupackende Helfer, aus dem später ein Orden hervorging, um mit Schulen, Internaten und Freizeitstätten sein Werk weiterzuführen: die Salesianer (benannt nach seinem Vorbild Franz von Sales). Das, was Don Bosco seinen geistigen Söhnen und Töchtern – denn es gibt auch die Don Bosco Schwestern – unter anderem ins Stammbuch schrieb, klingt selbstverständlich, macht aber den feinen Unterschied: „Daß die Jugendlichen nicht nur geliebt werden, sondern dass sie diese Liebe selbst auch spüren.“ Konkret werden also, nicht vor lauter Himmel die Erde vergessen! Diese Konkretheit fußt für ihn zunächst auf der Grundhaltung der amorevolezza – dem Liebe-wollen. Also nicht Liebe nur als eine diffuse Gefühlszuneigung für die ohnehin Sympathischen; sondern Agieren aus der Überzeugung heraus, dass in jedem Menschen ein von Gott gestifteter, guter Kern ist.

Diese Konkretheit der Liebe fließt dann in das andere Prinzip im Erziehungskonzept dieses Mannes, der sich zum Wohl der „armen und bedürftigen Jugend“ buchstäblich verzehrte: Assistenza - dabei sein! Im Gegensatz zu anderen Internaten, wo Strukturen den Alltag von Jugendlichen regulierten, steht bei Don Bosco das personale Konzept im Vordergrund: ein Stück des Lebens mit den Menschen teilen, mit ihnen durch Dick und Dünn gehen; nicht nur hinter dem PC für die Jugend da sein, sondern auf dem Arbeits- und Spielplatz, im Theater, in der Küche und Kirche. Das ist sein Ideal, in der Überzeugung, dass die erwünschte Formung so am besten gelingt.

In diesem Sinn, last but not least: In Zeiten ewiger Missbrauchsdebatte sollte nicht unter den Tisch fallen, dass nicht nur ein Johannes Bosco, sondern weltweit hunderte anderer Priester und Ordensleute in konkreter ‚Assistenz‘ der „bedürftigen Jugend“ selbstlos beigestanden und so die Gesellschaft weitergebracht haben, in der Überzeugung des Turiner Heiligen: „Die Vernunft, die Religion, die Geschichte und die Erfahrung zeigen, dass religiöse und zivile Gesellschaft insofern gut oder schlecht sein werden als ihre Jugend gut oder schlecht ist.“

Eine schöne Woche und gute Prüfungszeit wünscht euch

P. J. Gregur, Salesianer Don Boscos

Erfüllte Zeit

Freitag, 22 Januar 2021

Erfüllte Zeit

Manchmal vergeht die Zeit wie im Nu, dann wieder ist sie endlos lang-weilig. Je nachdem, was los ist. Wenn es gut ist, dann fühlt sie sich an wie bei Goethes Faust: „Verweile doch! du bist so schön!“ Aber die Zeit lässt sich nicht aufhalten. „Je älter man wird, desto hastiger tritt sie einem auf die Hacken, die Zeit, die sogenannte“ (W. Busch).

Es gibt die lineare, die zyklische und die spiralförmige Zeit.

Dass sich die Zeit im Kreis dreht, glaubten die alten Griechen: Alles kommt wieder, nichts Neues unter der Sonne. Für die Bibel und uns verläuft sie linear, alles hat seinen Anfang und ein Ende. Und doch sieht man, dass im Jahreskreis die Dinge sich wiederholen, die Jahreszeiten und Feste wiederkehren. Immer das Gleiche, sagen die Gelangweilten. Es stimmt aber nicht. Denn auch wenn Bekanntes erneut da ist, so haben wir uns geändert: Man ist älter, die Umstände sind anders, man hat anderen Blick auf die Welt. Gleiches und Neues: Wie eine Spirale schraubt sich die Zeit durch unser Leben.

Es gibt aber noch eine andere Zeit. Von ihr spricht Jesus am kommenden Sonntag: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe“ (Mk 1,15). Erfüllte Zeit? – Wenn alles passt, wenn sie wie in Ekstase still zu stehen scheint und sie quasi nicht mehr gibt. Die Nahtoderfahrungen berichten davon. Aber unter normalen Umständen?

Die alten und neuen Weisheitslehrer empfehlen, weder nostalgisch in die Vergangenheit, noch neugierig in die Zukunft zu blicken. Jetzt, diesen Augenblick leben! Die Hand auf den Pflug legen und nicht zurückschauen, das ist bei Jesus die praktische Erfüllung der Zeit. Das Reich Gottes ist wirksam, wenn der Herr der Zeit das Sagen hat: „Meine Zeit steht in Gottes Händen“, singen wir im Gottesdienst. „Nur für heute werde ich mich bemühen, einfach den Tag zu erleben – ohne alle Probleme meines Lebens auf einmal lösen zu wollen.“ So lautet das erste „Gebot der Gelassenheit“ bei Papst Johannes dem Dreiundzwanzigsten. Und das zehnte: „Nur für heute werde ich fest daran glauben – selbst wenn die Umstände das Gegenteil zeigen sollten –, dass die gütige Vorsehung Gottes sich um mich kümmert, als gäbe es sonst niemanden auf der Welt.“

Die Liturgie bekräftigt diese Haltung mit ihrem „Heute!“. Es heißt dort immer wieder: Heute ist Jesus geboren, heute ist er der Welt erschienen; „Am Abend vor seinem Leiden nahm er das Brot – das ist heute“ (Gründonnerstag). Was bedeutet dieses „Heute“? Nichts, als dass es bei Gott keine Zeit mehr gibt und er alles heute tut. Wer den Gottesdienst mit Leib und Seele mitfeiert, der taucht in diese Zeit ein, die keine mehr ist. Um ihre, auch therapeutische Wirkung zu erfahren, muss man, wie alles im Leben, achtsam sein und üben. Vielleicht durch Meditation: Einatmen, ausatmen, loslassen, den Augenblick spüren, vielleicht durchleiden, und – betend glauben, dass Gott ihn für mich so und nicht anders will.

Eine schöne Woche wünscht euch P. J. Gregur

Überleg mal

Freitag, 15 Januar 2021

Überleg mal

Heute haben Vereine, Parteien und Kirchen immer weniger Nachwuchs. Das gibt Anlass zur Sorge. Ohne Zuwachs keine Zukunft. Bei manchen Gruppierungen wäre das nicht unbedingt ein Nachteil. Für die Kirche aber schon. Denn Christen glauben, dass die Kirche den Menschen etwas, nein: Jemand (!) zu geben hat.

Nur: Wie gewinnt man Multiplikatoren? Die Antwort ist im Grunde einfach: Indem junge Leute für Christus gewonnen werden. Aber wie kommt man an sie heran? Durch Angebote? Davon gibt es inzwischen so viel, dass man nicht weiß, wo zuerst hinklicken: Online-Impulse, und -Gottesdienste, Podcasts, YouTube und Instagram. Trotz der Fülle tut sich in punkto Glaube und neue Christen wenig.

Vielleicht kann man vom Evangelium des kommenden Sonntags lernen, wie es gehen kann. Zunächst ist da einer, der sensibel ist und genau hinschaut: Johannes der Täufer. Er erkennt die Einmaligkeit Jesu und spricht es aus: Seht, das „Lamm Gottes“! Zwei seiner Jünger – einer ist Andreas – trifft dieses Wort. Sie zeigen sich interessiert und gehen Jeus nach. Bleiben sogar den ganzen Tag dort und fangen Feuer. Es dauert nicht lange und Petrus, der Bruder von Andreas, ist dabei.

Bescheidener Anfang mit großem Ausgang: es entsteht die Gruppe der Zwölf, dann die der Zweiundsiebzig und am Ende die weltweite Glaubensgemeinschaft. Man sieht: die Kirche entsteht aus der Beziehung und ist Beziehung. Sie wächst oder schrumpft in dem Maß als Leute an dieser Beziehung arbeiten. Die Mitte ist selbstverständlich Jesus Christus. Auf ihn muss mich jemand aufmerksam machen. Vorausgesetzt, er/sie ‚brennt‘ selbst. Denn nicht Information, sondern Begeisterung ist entscheidend: „Die Sache Jesu braucht Begeisterte“, hat man mal gesungen.

Das Ganze hat freilich einen Haken: es ist graue Theorie. Wenn sie praktisch werden soll, müsste ich bei mir anfangen. Das ist aber das Problem… Oder kennst du jemand (außer dem Kaplan vielleicht), der mit Jesus ‚wuchert‘, auf ihn mit Herzblut aufmerksam macht? Du bist jung! Junge Menschen können Gleichaltrige, Kommilitoninnen und Kommilitonen, begeistern und gewinnen. Das ist die Chance. Überleg mal, wo es an Dir liegt, für die Zukunft des Glaubens und mit ihm für die Gesellschaft etwas zu tun. Religion ist alles andere als Privatsache.

P. J. Gregur

Werde Licht

Donnerstag, 24 Dezember 2020

Werde Licht

 Mache dich auf und werde Licht:

 

Geh zum Kind und lass dich anstecken – von seiner Anmut.

 Geh zu Jesus und lass deine Dunkelheiten bescheinen – von seinem Licht.

 Geh zu Christus und lass dich berühren – von seiner Gnade (der göttlichen Herrlichkeit)

 Geh zu Gottessohn und lass dich ein-beziehen – ins Leben des dreieinigen Gottes.

  Geh zu IHM und lass dich ‚aufklären‘, um zu strahlen wie er – damit es in unserer Welt ein wenig lichter wird.

 

Gesegnete Weihnachtszeit und ein gutes neues Jahr!

Wünscht euch im Namen der Haupt- und Ehrenamtlichen der KHG

 P. J. Gregur

 

Der Engel des Herrn

Freitag, 18 Dezember 2020

Der Engel des Herrn

„Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft“ – wie geht der Satz weiter? Kennst du dieses Gebet noch, vielleicht von der Oma daheim? Früher wurde es täglich dreimal gebetet, beim Morgen-, Mittag- und Abendläuten. Es ist richtig schade, dass es verschwindet. Denn es ist die Erinnerung daran, dass das „Wort Fleisch geworden“ ist. Gott wird Mensch! Über diesen göttlichen ‚Wahnsinn‘ hätten sich die antiken Griechen nur amüsiert. Dass Götter sich in alles Mögliche verwandeln können, der Zeus z. B. in den Stier bei der Entführung Europas, das kannten sie auch. Aber dass ein Unsterblicher sich erniedrigt, um mit allen Nachteilen der Sterblichen Mensch zu werden, das wäre für sie doch ein Nonsens gewesen.

Die Menschwerdung ist tatsächlich etwas Unglaubliches und wir sollten den Zweiflern ihre Schwierigkeiten damit nicht verdenken. Wir sollten sie eventuell nur darauf aufmerksam machen, dass wir nicht einem Mythos auf den Leim gehen; dass wir an Weihnachten vielmehr den „wunderbaren Tausch“ bedenken, in dem Jesus das Defizit unserer Liebesunfähigkeit Gott und den Menschen gegenüber ausgleicht. Er wird Mensch, damit wir ‚göttlich‘ werden. Nicht nur wir, auch Gott will vollkommen geliebt werden. Nur geht das leider nicht. Nicht weil wir böse, sondern schlicht, weil wir begrenzt sind. Das ist, was Erbsünde genannt wird: lieben sollen und nicht können. In Jesu Hingabe, einem von uns und gleichzeitig einem für uns, wird Gott vollkommen geliebt und unsere gegenseitige Liebe bzw. Ethik begründet. An Weihnachten feiern wir in Jesus quasi die genetische Gesundung der an Liebesmangel kränkelnden Schöpfung.

Grund genug, dass unsere Glocken davon dreimal am Tag künden. „Und sie empfing vom Heiligen Geist“, heißt es an der genannten stelle weiter. Maria empfängt den Gottessohn im Namen der Menschheit. Ich hab noch das Bild der marienfrommen Bauern vor Augen wie sie beim Mittagsläuten ihre Kopfbedeckung abnehmen, die Hacke zur Seite legen oder, sich darauf stützend, gemeinsam zum Angelus anheben. Beim Schlüsselsatz „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ klopften sie an die Brust als sollte es heißen: Wirklich, es mangelt uns an Liebe.

Die Menschwerdung ist zusammen mit der Auferstehung einer der Eckpunkte christlichen Glaubens. Dieser Glaube braucht Anregung und Nahrung. Das ist der Sinn des Mittags- und Abendläutens. In Istanbul habe ich erlebt, wie Muslime in großer Zahl auf den Muezzinruf hin zum Mittagsgebet in die Moschee eilen. Die Engelsbotschaft an Maria vom kommenden Sonntag ist vielleicht ein Wink, jetzt in der Zielgerade des Advents, auch unsere Gebetstradition neu zu entdecken. „Der ‚Engel des Herrn‘ ist eine bewährte Weise, den Tag zu heiligen“, sagt das „Gotteslob“. Dort ist der „Angelus“ auf Seite 36 (Nr. 3,6) zu finden.

P. J. Gregur

Lebendiger Adentskalender

Dienstag, 01 Dezember 2020

Lebendiger Adentskalender

In diesem Jahr öffnen wir jeden Tag im Advent ein Türchen mit Beiträgen von Studierenden und Lehrenden der Augsburger Hochschulen und Personen aus Kirche und Stadt.

zur Playlist auf Youtube

 

Beten für den Klimaschutz?

Freitag, 20 November 2020

Beten für den Klimaschutz?

Diese Frage beantwortet Pastoralreferent Dennis Nguyen diese Woche in einem Podcast-Video.

Licht bezeugen

Freitag, 11 Dezember 2020

Licht bezeugen

Licht ist ein unerschöpfliches Thema. Du könntest mehrere Doktorarbeiten darüber schreiben: Licht physikalisch, Licht kosmisch, Licht in der Kunst, Licht metaphorisch, Licht in den Religionen, und und und.[1] Die vielen adventlichen Lichterketten, in den Fenstern, an den Straßen, sie zeigen unsere Affinität für das Licht. Was Wunder, Licht ist ja lebenswichtig. Ohne Licht gäbe es uns nicht. Diese vielen Lichter, die jetzt überall funkeln und glitzern, die Adventskränze und Christbäume, die wir anzünden, sind sie nicht ein Schimmer der Sehnsucht nach dem ‚wahren Licht‘?

Als Christ/in kannst du über Jesus Christus als Licht nachdenken. Er selbst nennt sich Licht: „Ich bin das Licht der Welt“. Auf dem Berg Tabor wird er verklärt und schwebt im Licht. Seine Auferstehung ist ein Lichtereignis, darum die Osterkerze. Zu Weihnachten ist er Licht für das Volk, „das im Finstern wandelt“. Um das Licht des Glaubens wird in der Liturgie gebetet. Jesus gebraucht die Licht als Metapher der Verkündigung: Eine Lampe zündet man nicht an, um sie anschließend unter den Scheffel zu stellen.

Damit bin ich schon bei dem, was von Johannes dem Täufer am kommenden Sonntag gesagt wird: „Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht“ (Joh 1,7f).

Im Lateinischen gibt es zwei Wörter für das Licht: lux und lumen. In gewisser Weise sind sie Synonyme, beide können Folge und Wirkung einer Lichtquelle sein. Im religiösen Zusammenhang aber ist lumen so etwas wie Beleuchtet-werden, wie der Mond im Vergleich zur Sonne. Den Christen ist Jesus lux mundi, die eigentliche Lichtquelle, „Sonne der Gerechtigkeit“. Johannes ist also bloß lumen: der Angestrahlte und nur als solcher eine Lichtgestalt.

Und dadurch gleichzeitig ein Zeuge des Lichts.

Jede/r  steht in irgendeinem Licht, manche im Rampenlicht. Auf der Schattenseite des Lebens ist ja nicht gut sein. Sag mir in welchem Licht du stehst und ich sage dir, wo deine Schattenseiten sind. Von allen Seiten werden wir illuminiert (aufgeklärt): von Idolen und Ideologien, von Weltanschauungen und Parteiprogrammen, von der öffentlichen Meinung und der political correctness. Oder sind das eher Schatten, Mangel an Licht? Jedenfalls kann man sich ihnen kaum entziehen und reflektiert sie unbewusst in sein Umfeld. Deshalb ist die Frage wichtig: In welchem Licht stehst du? Wo sind deine Stars?

Johannes bezeugt das „wahre Licht“ öffentlich und freimütig. Er stellt sein Licht, Jesus und sein Evangelium, nicht unter den Scheffel. Deshalb ist er zum Märtyrer (= Zeugen) des Lichtes geworden. Als solcher ist er ein leuchtendes Beispiel, Vorläufer auf Weihnachten zu. 

Allmächtiger Gott,
dein ewiges Wort ist Fleisch geworden,
um uns mit dem Glanz deines Lichtes zu erfüllen.
Gib, dass in unseren Werken widerstrahlt,
was durch den Glauben in unserem Herzen leuchtet. (Liturgie an Weihnachten)

P. J. Gregur

 

 

Masken...

Freitag, 04 Dezember 2020

Masken...

…sind seit einigen Monaten selbstverständlicher Teil unseres Alltags. Was zuvor höchstens an Fasching erlaubt war, ist in Pandemiezeiten bitterer Ernst geworden. Aber nicht nur der Körper kann dadurch vor unsichtbaren Bedrohungen geschützt werden. Im übertragenen Sinne legt sich auch die Seele so manche Maske zu, um sich gegen Ängste und Gefahren abzusichern. Wie es mir wirklich geht, bleibt meinen Mitmenschen deshalb oft verborgen. Davon weiß auch das Buch der Sprichwörter in der Bibel:

Das Herz allein kennt seinen Kummer, /

auch in seine Freude mischt sich kein Fremder.

Das Haus der Frevler wird zertrümmert, /

das Zelt der Redlichen gedeiht.

Manch einem scheint sein Weg der rechte, /

aber am Ende sind es Wege des Todes.

Auch beim Lachen kann ein Herz leiden, /

das Ende der Freude ist Gram.

Der Untreue sättigt sich von seinen Wegen, /

der gute Mensch von dem, was in ihm ist. (Spr 14,10-14)

 

So sehr Verkleidung und Verstellung im Alltag nützlich sein mögen: Tief in meinem Herzen lebt die Sehnsucht nach einem Freiraum, in dem ich alle aufgesetzten Masken ablegen kann. Ich möchte mich selbst so sehen und von anderen so wahrgenommen werden, wie ich wirklich bin. Als gläubiger Mensch vertraue ich darauf, dass ein unendlich gütiges Wesen mich mit seinen liebenden Augen wahrnimmt und wertschätzt. Davon getragen darf ich meine größte Freude und meinen schwersten Kummer zur Sprache bringen. Vielleicht kann ich eine solche Demaskierung meines Herzens mit den Worten des niederländischen Dichters Huub Oosterhuis beginnen:

 

Leg mein Gesicht frei, mach mich schön.                  Leg mein Gesicht frei, mach mich schön.

Wer mich entlarvt hat, wird mich finden.                  Wer sich entlarvt sieht, wird gefunden

Ich hab´ Gesichter, mehr als zwei,                            und wird ganz neu sich selbst verstehn,

Augen, die tasten vor im Blinden,                              wird leben, offen, unumwunden,

Herzen aus Angst, die vor Angst vergehn.                 und nirgends hin verloren gehn.

Leg mein Gesicht frei, mach mich schön.                  Leg mein Gesicht frei, mach mich schön.

 

Martin Blay

Advent

Freitag, 27 November 2020

Advent

Wieder da, der Advent, die Zeit der Erwartung und Wachsamkeit. Aber was wird erwartet? Weihnachten? Ok, Kinder freuen sich auf solche Spielchen: Christkind kommt, bringt Geschenke. Die Erwachsenen sollten aber wissen, – so die Prediger mit dem moralischen Zeigefinger – dass Jesus das eigentliche Geschenk von Weihnachten ist. Nur ist Jesus schon vor zweitausend Jahren gekommen. Muss man jedes Jahr von neuem so tun, als ob er am 25. Dez. wiederkäme und erwartet werden müsste; theologisch wohl etwas zu einfach gestrickt?

Was die Theologen immer haben! – Die adventliche Stimmung ist trotzdem schön: die behagliche Bude bei klirrender Kälte draußen, Glühwein und Plätzchen bei Freunden; vielleicht auch eine stimmungsvolle Weihnachtsfeier (ach ja, die fallen dieses Jahr aus!) oder vielleicht sogar eine Roratemesse bei Kerzenlicht.

Gegenrede, wieder theologisch: Hat das wirklich was mit Gott, mit der Wachsamkeit zu tun, mit dem Auf-dem-Sprung-sein, mit dem Blick in die Lebenstiefen, christlich: mit Kreuz und Auferstehung, mit den Armen und Hungernden, jenen ohne Dach über dem Kopf, die von Krankheit gequält dem Tod ins Auge schauen?

Vorweihnachtliche Gemütlichkeit oder der Ernstfall des Lebens – was ist nun der wahre Sinn des Advents? – Tatsächlich ist für Jesus dann Advent, wenn „die Mächte des Himmels“ durcheinandergeraten, wenn der Boden unter den Füßen schwankt, wenn alles Geordnete nicht mehr gilt, wenn alle Sicherheiten wegfallen und Gott der einzige Rettungsanker ist.

 Mich beeindruckte die seltsame Erfahrung eines Mannes im Luftschutzkeller von Berlin am Ende des 2. Weltkrieges: Zunächst fühlte er sich bei aller Angst dort, in Gemeinschaft mit anderen, irgendwie sicher. Als aber die Wände des Kellers unter Bombenhagel zu bersten drohten und der Putz flog, wo es also sicher dem Ende entgegenging, da wandelte sich die Todesangst in einen seltsamen inneren Frieden, eine bisher nie gekannte Ergebenheit. War das ein adventlicher Augenblick?

Seid wachsam, sagt Jesus. Nicht in der Ich-Zentriertheit des Wohlgefühls, sondern in der Dezentriertheit des Ego auf das Große und Ganze, auf Gott hin. Denn sein Kommen muss das Gewohnte aufbrechen, um Neues möglich zu machen.

An diese Dialektik erinnert der Advent in seinem ersten Teil, bis zum 17. Dezember. Da geht es durchaus in erster Linie um das endzeitliche Kommen des Herrn, das allem Geknechteten, Zu-kurz-Gekommenen und Duldenden Recht verschaffen wird. Eine ernste Zeit also (deshalb das Violett in der Kirche und kein Gloria). Ab dem 17. Dezember dann, dem zweiten Teil des Advents (O-Antiphonen), kommt dazu die Vorfreude und die nähere Vorbereitung aufs Weihnachtsfest. Spätestens da könnte, sollte man neben Plätzchen und Weihnachtsbaum auch an das innere Aufräumen denken. Unter Umständen mit einem Lebens- oder Beichtgespräch.

Also doch irgendwie sauertöpfisch das Ganze, zumal bei Menschen im Saft des Lebens? – Nein, denn zumindest bei Jesus geht es niemals um eine Verkürzung der Lebensfreude, er warnt nur vor kurzen Abstechern und ‚breiten Wegen‘ (Mt 7,13). Wer die Zeit des reifenden Wartens nicht erträgt (quasi die Weihnachtsstimmung schon im Oktober haben will), kommt auch am Fest kaum auf seine Kosten.

Insofern ist Warten nicht nur etwas für kindliche Gemüter, um die Konsumspannung zu erhöhen. Warten ist vielmehr eine Chance zur Klärung der eigenen Standpunkte, Beziehungen und Bedürfnisse. Die vielleicht Gott im Wege stehen. Dazu kann dann auch eine Verklärung des Advents zur „staden“ Zeit in romantischer Candlelight-Stimmung durchaus etwas beitragen.

P. J. Gregur

'Offizielles' Gebet

Donnerstag, 12 November 2020

'Offizielles' Gebet

Es gibt viele schmucke Abzeichen,  aber nur ein Vereinswappen, und viele unterschiedliche Ländersymbole, aber nur eine Nationalfahne; und es gibt viele Gesänge, aber nur ein Deutschlandlied, die Nationalhymne. Sie ist wichtig, unveränderlich, ‚sakrosankt‘, Symbol, das die Identität einer Gemeinschaft repräsentiert. Entehrt oder zerstört man solche Symbole, um den Gegner ins Herz zu treffen, so kann das Kriege auslösen.

Wie der Staat offizielle Symbole und Veranstaltungen kennt, so gibt es auch in der Kirche identitätsstiftende Zusammenkünfte, Bauten, Bilder und Symbole, liturgische Geräte und gottesdienstliche Kleidung. Vieles Schmucke und Wertvolle davon wird in privater Initiative auf die Beine gestellt, je nach Gusto. Dazu zählen auch die unterschiedlichen, nicht offiziellen Gebetsformen und Feiern wie Frühschicht, Taizegebet, Nightfever. Daneben gibt es aber auch die sog. die offizielle Liturgie, mit der Eucharistiefeier und den Sakramenten im Zentrum, rituelle Standards, die für alle verbindlich sind. Weniger bekannt ist vielleicht, dass dazu auch das Stundengebet zählt. Man meint das Stundengebet sei nur etwas für Kleriker und Ordensleute, sie müssten ihr ‚Brevier‘ brav beten. Und da man unter Gebet etwas rein Persönliches versteht, verrichteten es früher viele von ihnen rein privat, für sich im stillen Kämmerlein. Dabei ist es, wie die Hl. Messe, ebenfalls eine offizielle Feier der Kirche, die das Zusammenkommen in der Gemeinschaft voraussetzt. Deshalb ermuntert das 2. Vatikanische Konzil alle zur Feier der Tagzeitenliturgie, wie man das Stundengebet heute nennt. Denn alle sind Kirche.

Aus diesem Grund beten – nein, feiern! – wir in der Kapelle mittwochs um 19 Uhr die Vesper (Abendlob) und täglich mittags (Montag bis Freitag) die Sext (Mittagsgebet). Feiern heißt: wir singen sie, denn der Gesang enthebt uns dem Alltag und ist eine Sache der Liebenden. Die offizielle Liturgie läuft freilich – weil Symbol – nach dem vorgegebenen Schema ab. Aber wie die Nationalhymne alle Deutschen unter einer Melodie und dem einen offiziellen Text verbindet, so nehmen wir die formale Verbindlichkeit der Vesper – mit dem Hymnus, den Psalmen, den Cantica usw. – nicht als ein lästiges Korsett wahr, sondern als eine Vor-Gabe, die uns über alle Zeiten und Grenzen hinweg gemeinschaftlich verbindet („Lied, das die Welt umkreist“).

Herzliche Einladung dazu! Jeden Mittwoch um 19 Uhr in der KHG-Kapelle

P. J. Gregur

Dummheit & Weisheit

Donnerstag, 05 November 2020

Dummheit & Weisheit

Ehrlich gesagt, ich hatte irgendwie immer schon Sympathien für die fünf ‚Dummen‘, die das Öl für ihre Lampen vergessen haben. Oder ist es einfach eine Schwäche für Menschen, die sich ungeschickt anstellen? Bloß, weil sie einmal unachtsam waren, schloss man ihnen die Tür vor der Nase zu!

Aber Jesus geht es mit der Parabel von den zehn Jungfrauen, die im kommenden Sonntagsevangelium verkündet wird, nicht um Details oder menschliche Höflichkeiten und Gepflogenheiten. Worum aber dann? Ich stelle mir ein Feuerwehrauto vor, dessen Tank beim fälligen Einsatz leer ist. Dümmer ging’s nicht. „Seid also wachsam!“ – meint Jesus! Bereit sein, darum geht es.

Dummheit, wie das Evangelium sie einigen Jungfrauen unterstellt, ist nicht der Gegensatz zur Begabung im Rechnen, Lernen und dem gescheiten (Daher-)Reden. Es ist Mangel an Weisheit (von der in der Lesung die Rede ist). Weise wird man nicht über Nacht, man kann die Weisheit nicht auf die Prüfung hin lernen. Weisheit lernt man durch Erfahrung, Kommunikation, Achtsamkeit, Rücksicht, am meisten vielleicht durch schwierige Situationen, auch durch Leid. Menschen, die viel ertragen, erdulden, zurückgesetzt werden, die ihre Zeit für andere und die ‚gute Sache‘ opfern, sie lernen eher Weisheit als die sog. Erfolgreichen. Und die auf diese Weise ‚Armen‘ sind es dann am ehesten, die in der „Torheit des Kreuzes“ die Weisheit Gottes erkennen. „Die Juden fordern Zeichen, die Griechen suchen Weisheit. Wir dagegen verkünden Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit.“ So Paulus an die Korinther (1 Kor 1,22-24).

Langen Atem haben, den Tank rechtzeitig füllen (beten!), das Leben als Ganzes überblicken, Gottes Weisheit d.h. Jesus integrieren, und von da aus den Augenblick bewerten, das ist, denke ich, weise. Die fünf ohne Öl in ihren Lampen stehen für Menschen, die gedankenlos in den Tag leben. - Nehme ich das Evangelium eigentlich ernst, wenn ich mit ihnen Mitleid habe?

 P. J. Gregur

 

Die Toten drängen mich, an Gott zu glauben

Freitag, 23 Oktober 2020

Die Toten drängen mich, an Gott zu glauben

An Allerheiligen und beim Besuch des Friedhofs rückt der Tod wieder näher an uns heran. Und damit auch die Fragen, die uns immer wieder quälen, mit Schmerz erfüllen und oft unbeantwortet bleiben. Wieso musste dieser Mensch schon aus unserer Mitte gehen? Wieso lässt Gott so viel Leid zu?

Dabei ist für mich wichtig, dass ich nicht allein bin in dieser Situation. Fulbert Steffensky hat es mal passend formuliert: „Ich benutze die Sprache meiner lebenden und toten Geschwister, und ich benutze damit auch ihren Glauben.“ Wenn wir Gebete sprechen oder Erzählungen aus der Bibel lesen, dann glauben wir nicht in erster Linie „etwas“, sondern wir glauben den Menschen, die sie uns überliefert haben. Diese Zeugen der Hoffnung sind Propheten, Jesus, Jüngerinnen und Jünger, Heilige aber vor allen Dingen auch Leute wie du und ich.
Väter, Mütter, Großeltern, Freunde und Fremde haben über all die Jahre die Botschaft der Freude und Hoffnung weitergegeben. Überlege doch mal, wer für dich so ein „Zeuge der Hoffnung“ war, der dir von Gott und Glauben erzählt hat.
Auch wir sind nun Teil dieser Überlieferungskette.

Steffensky sagt weiter: „Die Toten drängen mich, an Gott zu glauben. Die Opfer fordern Versprechungen, die größer sind, als mein Herz wissen und vertreten kann. Da ich niemanden Opfer sein lassen will, nicht einmal mich selber, rufe ich: Gott wird die Toten nicht vergessen.“
Im Vertrauen an all die Menschen, die uns vorausgegangen sind und der Zusage Gottes geglaubt  und diese weitergegeben haben, dürfen wir uns einreihen.

Es ist nicht immer leicht, oft kommen auch mir Zweifel. Doch der Glaube an eine Gerechtigkeit, die unser Denken übersteigt, bekräftigt mich an ein Leben nach dem Tod zu glauben und mich ebenso im hier und jetzt für eine bessere Welt einzusetzen. Es kann ja nicht sein, dass die Tyrannen dieser Erde, die Unterdrückung und der Tod das letzte Wort haben.

Das Vertrauen auf Gott und das Bewusstwerden ein Teil einer großen Gemeinschaft zu sein, kann immer wieder Mut schenken - und Sätze, die von Generation an Generation weitergegeben wurden:
„Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen.“ (Offb 21,4)

 

Michael Rösch

Gott lieben - wie geht das?

Freitag, 23 Oktober 2020

Gott lieben - wie geht das?

Ein Werktag. Ich gehe in die Kirche, um die Abendmesse zu feiern, zu der sich überwiegend ältere Menschen einfinden. Heute sehe ich auch einige jüngere. Nur, sie kommen nicht in die Kirche, sie eilen an ihr vorbei. Wohin des Weges?, frage ich, die ich vom Sehen her kenne. Wir haben Pfarrgemeinderatssitzung, so die engagiert-unschuldige Antwort. – Die Szene ist mir in Erinnerung geblieben. Und kommt mir erneut in den Sinn, wenn ich im Sonntagsevangelium lese: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken.“ (Mt 22,37) Das ist das erste Gebot, sagt Jesus, fügt freilich das zweite als ebenbürtig hinzu: den Nächsten zu lieben wie sich selbst.

Zurück zum Pfarrgemeinderat und den Messbesucherinnen: Das engagierte Zusammenkommen des Pfarrgemeinderats während der Liturgie geht wohl auf die Nächstenliebe zurück: Für das Wohl der Pfarrei zu sorgen. Das ist uns – gottlob – in Fleisch und Blut übergegangen: Helfen, Zeit haben, trösten, Schöpfung bewahren, für Gerechtigkeit einstehen, die Diakonie planen, der Gesellschaft nützen. Fast in jeder Predigt hört man davon. Aber wie man Gott lieben soll, darüber wird wenig geredet. Dabei ist das das erste Gebot.

Gott lieben, wie geht das also? – Schwierig, weil man Gott nicht sieht, nicht spürt, ihn nicht anfassen kann, weil er oft ganz der Ferne ist. Als würde jemand sagen: Du sollst den Staatspräsidenten oder den Papst lieben. Kann man überhaupt Liebe befehlen?

Vielleicht helfen uns die, die zum Gottesdienst gekommen sind. Zunächst zum Rosenkranz vielleicht und dann zur Heiligen Messe. Was tun sie eigentlich für die Pfarrei und Gesellschaft Nützliches? Beten, dass die Arbeit gelingt oder der liebe Gott dafür seinen Segen gibt? Das tut er ohnehin, zumal wenn es um die Nächstenliebe geht. So zu denken, wäre schon wieder eine Funktionalisierung des Christlichen. Nein, sie kommen als Freunde Gottes, die seine Größe bekennen und loben wollen, die seine Liebe preisen, die Beziehung zu ihm pflegen, zweckfrei und selbstlos. Freundschaft plant man nicht, sie lebt man. Die Liebe ist nicht nützlich, sie ist Kraftquelle. Und sie braucht Zeichen, Zeiten und Orte, um zu erblühen, damit daraus Früchte der Nächstenliebe reifen. Dabei nicht zu vergessen: Gott braucht unsere Liebe nicht: „Du bedarfst nicht unseres Lobes, … unser Lobpreis kann deine Größe nicht mehren. Doch uns bringt es Segen und Heil“ (4. Werktagspräfation). Denn nur Liebende haben Kraft, über sich hinauszuwachsen, Großes zu leisten.

Zwei Gruppen ein- und derselben Pfarrei, jede in ihre Richtung: die einen zur Sitzung, die anderen zum Gottesdienst. Die einen dem Gebot der Nächstenliebe folgend, die anderen der Gottesliebe. Beides ist gleich wichtig, sagt Jesus. Und es geht das eine nicht ohne das andere. So lag mir damals das Wort auf der Lippe: Aber wieso zur Sitzung während des Gottesdienstes? Ich hab’s nicht gesagt, um die Gefühle nicht zu verletzten. Aber zu bedenken ist es allemal. Denn das zweite Gebot resultiert aus dem ersten.

P. J. Gregur

<<  3 4 5 6 7 [89 10 11  >>