Weihnachtsutopie

Maria und Josef fanden sich mit ihrem Neugeborenen in einem Stall wieder, „…weil in der Herberge kein Platz für sie war“ (Lk 2). Ein Nicht-Ort für sie (οὐκ τόπος), eine ‚Weihnachtsutopie‘ im wahrsten Sinn des Wortes. Sie bildet die harte Realität von Vielen ab: Wie die heilige Familie keinen Ort in Bethlehem fand, sind im Laufe der Geschichte Unzählige obdachlos, ohne Geld, ohne Anerkennung, ohne Heimat geblieben. Jesus wird zeitlebens einer sein, der „keinen Ort hat, wo er sein Haupt hinlegen kann.“ (Mt 8,20). - Die Armen sind Jesus ähnlich, nicht die Wohlsituierten. - Im übertragenen Sinn ist der Glaube heimat- und ortlos geworden: Das Zelt, das Gott unter den Menschen aufgeschlagen haben soll (Joh 1), ist für die Mehrheit (in Europa) nichts als ein Luftschloss. Doch sollte es dem Glauben an Jesus anders ergehen als ihm selbst?
Wir bemitleiden das göttliche Kind im armseligen Stall zu Bethlehem. Dass aber Bethlehem (= Haus des Brotes) ihm die Herberge verweigerte, bekümmert ihn wenig. Später wird er ja feststellen, dass „der Mensch nicht von Brot allein“ lebt (Mt 4,4). Und am Ende seiner irdischen Unbehaustheit wird er sagen: „Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten“ (Joh 14,2). Fortan gilt für die Glaubenden: „Unsere Heimat aber ist im Himmel“ (Phil 3,20). Das bedeutet nicht Weltflucht. Die Christen standen immer schon mit beiden Beinen auf der Erde. Als erste bauten sie Krankenhäuser, gründeten Schulen und Universitäten, gaben Armen und Schwachen Heimat und Brot. Das konnten sie, weil sie - u-topisch - mit ihrem Herzen im Himmel wohnten. Und es hoffentlich noch tun. Denn die Krise des Christentums hat immer wesentlich mit der Versuchung zu tun, es sich gemütlich in dieser Welt einzurichten.
Wo bleibt bei dieser nüchternen Weihnachtsutopie die Botschaft des Engels "Ich verkünde euch eine große Freude"? - Die Liebe in Stall und Krippe sagt über das Glück und die Freude des Menschen mehr als all die zweckdienlichen Hotelherbergen in der Stadt.
Ich wünsche euch, auch im Namen der ganzen KHG, ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr!
P. J. Gregur