The same procedure as usual?

Freitag, 03 Dezember 2021

The same procedure as usual?

In diesen Tagen ist mir das Buch von Norbert Lohfink in die Hände gekommen. Es heißt: „Gegen die Verharmlosung Jesu“. Darin spricht dieser katholische Bibelausleger gleich im ersten Kapitel darüber, dass man Jesus missversteht, wenn man meint er wollte einer gewissen Wohlfühlmentalität das Wort reden, dem Individuum zu mehr irdischem Glück verhelfen. Jesu „Reich Gottes“ bestehe vielmehr in der radikalen Erwartung, dass Gott in jedem Augenblick ankommen und dadurch alles umkrempeln kann. Im Leben vieler Menschen es auch tut.

Jesus verharmlosen ist folglich auch dann, wenn man den Advent nur als eine heimelige Zeit im Sinn hat, mit Kerzen und Punsch, mit Nikolaus, Christkind und lieblich-rieselnder Musik. Man sollte freilich unsere schönen Bräuche nicht schlechtreden. Aber Advent meint eben doch etwas anderes, Herbes, eigentlich Aufrüttelndes.

Corona – lieber Gott, lass sie vorübergehen! – zwingt uns zur Vorahnung, dass man sich in dieser Welt auf Dauer nicht gemütlich einrichten kann. Wir in der westlichen Welt hätten gerne The same procedure as every year („Diner for One“). Es genügt aber ein Blick auf die frierenden Menschen an den Grenzen der EU, um zu sehen, dass das nicht geht. Nichts sehnlicher erwarten sie und die Hungernden, Flüchtenden, Entrechteten und Ausgebeuteten aller Zeiten, als dass ‚diese Welt‘ vergeht. Das ist ihre adventliche Hoffnung.

Kirchenmusikalisch betrachtet holt daher nicht der Gesang „Wir sagen euch an den lieben Advent, sehet die erste Kerze brennt“ den Sinn dieser Zeit ein. Sozusagen: wir gehen auf ein kuscheliges Familienfest zu, wo alle versuchen, sich lieb zu haben. Eher lotet den Advent das Lied aus: „Wachet auf, ruft uns die Stimme der Wächter sehr hoch auf der Zinne.“ Ein Kirchenlied, das als Adventsgesang schlechthin gilt, im neuen „Gotteslob“ aber sinnigerweise am Ende des Kirchenjahres steht. Und da ist nicht Idylle angesagt, sondern bekanntlich die Erschütterung der liebgewonnenen Verhältnisse und – christliche Hoffnung! – das himmlische Hochzeitsmahl.

Zu ernst, das Ganze? – Nein, ich will die Stimmung nicht trüben, aber es ist wirklich eine besinnliche Zeit. Aber nicht Besinnung im Sinne der weihnachtlichen Kaufhausromantik (den Sinnen frönen), sondern im Sinne der inneren Umkehr, die Jesus predigt.

Besinnlichen Zweiten Advent!

P. J. Gregur

Dinner for One:

https://www.youtube.com/watch?v=5n7VI0rC8ZA