Ritual

Freitag, 11 November 2022

Ritual

Rituale sind aus der Mode gekommen. Denn das Grundmerkmal des Rituellen, die schematisierte Wiederholung, signalisiert Langeweile und Einfallslosigkeit. Deshalb sollen auch Gebete und Gottesdienste möglichst einfallsreich sein.

Aber Gottesdienste haben naturgemäß einen festen Ablauf. Nicht nur aus psychologischen Gründen, dass Rituale etwa unser Inneres ordnen und ihm Stabilität geben: Man kann nicht jeden Tag neu überlegen wie man aufsteht, sich wäscht und anders frühstückt als sonst.

Der eigentliche Ertrag des Rituellen in Gebet und Gottesdienst ist seine Eigenschaft, das Ich vom Selbst freizumachen. D. h. es will uns uns selbst nehmen und auf Gott hin ausrichten. Selbst formulierte Gebete sind gut, sie kreisen aber immer noch um das Wie sag ich’s, wie mach ich’s am besten? Wie bleibe ich interessant? Selbstgestaltete Liturgie ist im Prinzip Hingabe-kontraproduktiv, sie läuft Gefahr, mehr das Ich und weniger Gott im Blick zu haben. Die Methode verdrängt den Inhalt, der Weg das Ziel.

Der Hingabecharakter des Rituellen räumt dem Vorformulierten den Vorrang vor dem Selbstgestalteten und Selbstformulierten. Freilich nur, wenn das Vorformulierte meditierend zum Eigenen wird, es also nicht lieblos herunterleiert oder gedankenlos persolviert wird.

Schöne Woche!

P. J. Gregur