Weihnachtliche Logik

An Weihnachten, so die Erinnerung aus der Schülerzeit, war für mich immer ein gewisses Missvergnügen, in der Messe am Tag das Evangelium vom Logos, „Wort“ zu hören: „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort“. Zu abrupt, innerhalb von ein paar Stunden, dieser Übergang von der Krippenidylle hin zur hochkomplizierten Theologie.
Heute denke ich: Was hätten wir davon, bliebe es bei der herzrührenden Szene im Stall von Bethlehem? Was für eine Heilsbotschaft wäre die Geburt eines Kindes in Armut und Elend irgendwo am Ende der Welt? Elend hat die Menschheit selbst genug. Da braucht es schon eine tiefere weihnachtliche Sicht, mit der sich der kritisch denkende Mensch auseinandersetzen kann, vielleicht muss. Johannes bietet sie zu Anfang seines Evangeliums, das Zitat von oben stammt daraus.
Für die Griechen war Logos nicht nur Wort, sondern die Weltvernunft, eine Art rationale Struktur, nach der alles seine Logik hat, nach der die Natur sich entwickelt und ihren Zielen entgegenstrebt. Jeder Mensch trage in sich einen Samen davon und ist daher ein rationales Wesen. Die christlichen Denker rezipierten das, fügten aber hinzu: Ok, nur ist dieser Logos nicht die mathematische Logik eines blinden Weltgetriebes oder irgendein moralisches Gesetz im Menschen. Nicht kosmische Rationalität ist es, sondern liebendes Umfangen allen Seins, dessen Grund Gott als Liebe ist. Die Liebe aber ist nie anonym und theoretisch, sondern konkret erfahrbar, sie offenbart sich als personales Gegenüber. Aus diesem Grund ist für uns – leibliche Wesen – „das Wort Fleisch geworden“.
Mit der Fleischwerdung des Wortes passiert eine ‚Heilung an der Wurzel‘ kosmischen Ausmaßes: Der tragende Logos aller Schöpfung – sie ist durch ihn geworden – offenbart sich an Weihnachten den Menschen als Immanuel, Gott mit uns. Wozu aber? Um unserer Erdenschwere, Selbstgenügsamkeit und Gottvergessenheit entgegenzuwirken. Als Realsymbol (Sakrament) der Liebe vereinigt Jesus in sich Himmel und Erde, Gottheit und Menschheit und begründet so den Anfang einer neuen Welt. Wir Christen klinken uns in diesen Prozess leiblich erfahrbar ein durch die Taufe, vor allem aber in der Eucharistie, der verstätigten Gegenwart des Menschgewordenen in der Liturgiefeier der Kirche.
Zugegeben: das ist hochtheologisch. Aber, wie gesehen, auch biblisch, altkirchlich und bis heute ostkirchlich. Billiger ist, meine ich, Weihnachten nicht zu haben.
Ich beglückwünsche uns alle zu diesem kosmischen Ereignis der Liebe an Weihnachten! Sie möge die Logik unseres Denkens und Handelns im neuen Jahr bestimmen. In diesem Sinn wünschen euch das gesamte Team der KHG, die Hauptamtlichen und der Sprecherrat,
gesegnete Weihnachten und ein gutes neues Jahr!
P. J. Gregur