Der verlorene Sohn

Das größte Dilemma im Ukrainekrieg liegt wohl darin, dass Putin ohne Gesichtsverlust aus der angezettelten Katastrophe nicht herauskommen kann. Erniedrigt bzw. besiegt kann er sich vor seiner Klientel nicht mehr behaupten. Deshalb ist er für die ganze Welt gemeingefährlich geworden.
Betrachtet man diese Sackgasse, kommt man als Wurzelursache, als ‚Erbsünde‘ um den Stolz nicht herum. Es ist das Wesen des Stolzes, dem Teufelskreis des ‚Ich-ich‘ nicht entkommen zu können. Darin besteht übrigens auch die Hölle: Sie ist die Selbstbestrafung durch die narzisstisch-trotzige incurvatio in se ipsum (hl. Augustinus), Verbohrtheit in sich selbst, die jede Umkehr unmöglich macht. Warum, wie und zu wem umkehren, wenn es nur das Ich gibt?
Das Ich muss nicht nur eine Person sein, es gibt das kollektive Ich eines Nationalismus, einer Ideologie, einer Weltanschauung, einer angeblichen Tradition; Götzen, die auf den Plan treten, wenn es keinen Gott gibt. Die großen Verbrecher des 20. Jh. beispielsweise, Hitler und Stalin, kaschierten ihre Gott-losigkeit und Gangstermentalität auf diese Weise. Das vermeintlich nationale, de facto aber chauvinistische Wir treibt auch den Protagonisten der Aggression auf die Ukraine um. Es macht die persönliche Umkehr noch aussichtsloser.
Bereits die zigmal verbriefte Erkenntnis, dass Egoismen, individuell oder kollektiv, in der Regel beim ‚Schweinetrog‘ der Geschichte enden bzw. in Katastrophen münden, schon sie mahnt zur Besinnung. Besser und aussichtsreicher aber ist der Glaube, dass es da Größeres gibt als mein Ich und meine Ideologie, ein göttliches Du, das meine Verirrung nicht strafend sanktioniert, vielmehr in der Wurzel heilt. Wie beim verlorenen Sohn aus dem Evangelium lassen seine offenen Arme und die verzeihende Erwartung meinen Egotrip wie den Schnee in der Frühlingssonne schmelzen. Mit Gott kann ich ohne Gesichtsverlust umkehren und neu leben.
Einen gesegneten 4. Fastensonntag!
P. J. Gregur
Verlorener Sohn, Bibelied von Martin Pepper
https://www.youtube.com/watch?v=j1fXt3oHL3I
„Lange war ich weggelaufen, suchte in der Ferne mein Glück. War bereit, zu verkaufen, was mir von meinem Erbe blieb. Irgendwann war nur noch Leere, Hunger und Einsamkeit, als ob etwas gestorben wäre, zur Umkehr war ich nun bereit. Doch in mir lebte noch die Schande, ich schämte mich vor deinem Blick. Konnte mich doch nicht verwandeln, ich konnte doch nicht so zurück.
Da sah ich dich am Wegrand stehen, die Arme zu mir ausgestreckt. Ich wusste nun, mir war vergeben, ich war nicht länger angeklagt. Es tat so gut, nach Hause zu laufen, ich machte mich auf den Weg. Und ich begann, vieles neu zu begreifen, welch ein Glück! War ich noch vorher geblendet von Lüge, konnte die Wahrheit nicht seh`n. Da zeigte sich diese Klarheit der Liebe. Ich sah meinen Vater mir entgegen geh`n.
Du stecktest mich in neue Kleidung, gabst mir meine Würde zurück. Ich spürte so was wie Befreiung, ich fühlte mich nicht mehr bedrückt. Langsam wurde alles sichtbar, was ich schon längst verloren sah. Träume von erfülltem Leben waren plötzlich wieder da. In Gottes Haus ist Fülle des Lebens bereit. Und, wer sich aufmacht, erfährt: der Weg ist gar nicht weit.“