Der Prophet

Es ist leicht, mit dem Strom gegen den Strom zu schwimmen, sagte ein weiser Mann (Adorno, glaube ich). Den Eindruck gewinnt man leicht angesichts der politischen Korrektheiten, denen blind gefolgt wird. Als Massenverhalten verständlich. Es gibt aber Einzelne, die dem Mainstream nicht kritiklos gegenüberstehen. In der Geschichte Israels und der Kirche sind es die Propheten. Am kommenden Sonntag werden in den biblischen Lesungen drei von ihnen vorgestellt: Ezechiel, Paulus, Jesus.
Ezechiel wird von Gott in „ein Haus der Widerspenstigkeit“ gesandt (Ez 2,5) und hat folglich mit starkem Widerstand zu rechnen. Bei Jesus heißt es: „Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simon?“ (Mk 6,3) Was bildet er sich ein? Paulus wird wegen seiner Botschaft ausgelacht, abgelehnt und ausgepeitscht.
Man muss daher vorsichtig sein, wenn alle applaudieren. Vielleicht redet man den Leuten nach dem Mund. Denn Brot und Spiele honorieren sie gern.
Allerdings gibt es ‚Propheten‘, die sich in ihrer Rolle gefallen. Auch da droht die Botschaft, dem Egoismus geopfert zu werden. Man ist verliebt in seinen Widerstand. Das mag der liebe Gott auch wieder nicht. So schreibt Paulus: „Damit ich mich wegen der einzigartigen Offenbarungen nicht überhebe, wurde mir ein Stachel ins Fleisch gestoßen: ein Bote Satans, der mich mit Fäusten schlagen soll, damit ich mich nicht überhebe.“ (2 Kor 12,7). Ein Krankheit oder sonst eine Schwäche.
Wie auch immer. Auch Du und ich sind – wenn wir Christen sein wollen – zum Prophetenamt berufen. Wenigstens durch unser Verhalten, und, wenn es sein muss, auch durch ein Gegenwort.
Gesegneten Sonntag und gute Frustrationstoleranz in der Prüfungsvorbereitung!
P. J. Gregur